Neonazis in Hessen
Enttarnte Neonazis aus Hessen
Nationale Sozialisten Rhein Main – Hintergründe

In den letzten Monaten führten organisierte Neonazis zwei Fackelmärsche in Bergen-Enkheim durch, bei denen sie Fahnen schwenkend und Lieder singend durch den Stadtteil zogen: Im Oktober 2010 wurde die Polizei gerufen, da mehr als 30 Neonazis durch die Straßen zogen. Kurz bevor die Polizei mit einiger Verspätung eintraf, zogen sich die Neonazis zurück. Der Auftritt war vermutlich gut vorbereitet und organisiert. Mitte Dezember wiederholte sich das Spektakel noch einmal. Diesmal kam erst gar keine Polizei, die Nazis konnten völlig ungestört ihren Fackelmarsch durchführen. Anwohner_innen schauten zu, ohne einzugreifen, eine Zuschauerin sang sogar mit. Keiner der beiden Vorfälle fand Erwähnung in der Presse, auch die Polizei schwieg sich aus. Doch dazu später.

Bei den Nazis, die in Bergen-Enkheim auftreten, handelt es sich um die so genannten „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“ (NSRM), die auch als „Freie Nationalisten Hessen“ auftreten. Deren größtenteils junge Mitglieder kommen aus verschiedenen Frankfurter Stadtteilen, aus Maintal, Bruchköbel und Eschborn. Die „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“ sind im wesentlichen deckungsgleich mit der neu formierten Frankfurter NPD. Diese erlebte im letzten Jahr einen Generationswechsel, wichtige Ämter wurden von vorrangig sehr jungen Neonazis übernommen. In den letzten Monaten führten Neonazis aus den genannten Strukturen immer wieder Aktionen im Raum Frankfurt durch. Sie hängten Transparente mit neonazistischem Inhalt an Autobahnbrücken, besuchten und störten eine Veranstaltung der Partei „Die Linke“ und fuhren bundesweit auf mehrere Nazi-Aufmärsche. Zudem fallen sie durch Aufkleber im Frankfurter Stadtgebiet auf. Bereits ab 2008 machte die Gruppierung „Block F“ durch Aufkleber und eine Internetpräsenz auf sich aufmerksam. Durch die Vernetzung von jüngeren NPD-Aktivisten mit den Mitgliedern von
„Block F“ entstand spätestens im Frühsommer 2010 der beschriebene Zusammenschluss „Freie Nationalisten Rhein-Main.“

Treffpunkt und selbstsicheres Auftreten in Bergen-Enkheim

Der feste Treffpunkt der „Freien Nationalisten Rhein-Main“ befindet sich in Bergen-Enkheim. Unter Akzeptanz des Betreiber-Ehepaars treffen sie sich regelmäßig in der „Berger Stubb“ in der Marktstraße. Innerhalb des Frankfurter Stadtteils Bergen-Enkheim treten die „Freien  Nationalisten Rhein-Main“ insgesamt sehr selbstsicher auf. In den letzten Monaten kam es durch die Neonazis vermehrt zu Beleidigungen und Bedrohungen. Auch wurde beispielsweise im Sommer 2010 eine Bürgersprechstunde der Linkspartei in Bergen-Enkheim von einem Dutzend Neonazis der „Freien Nationalisten Rhein-Main“ und Mitgliedern der NPD Wetterau besucht und gestört. In Gesprächen unter Nachbar_innen auf der Straße sind die Neonazis immer wieder Thema.

eikegrunewald

Zwei zentrale Personen der „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“

Eike Grunewald (siehe Bild) wohnt in Bergen-Enkheim. Er ist stellvertretender Landesvorsitzender und Funktionär der NPD-Jugend „Junge Nationaldemokraten“ (JN), und ein zentraler Drahtzieher der Frankfurter NPD-Aktivitäten. Bei der Kommunalwahl im März 2011 tritt er als Kandidat für Bergen-Enkheim an. Grunewald gehört zum engsten Kreis der „Nationalen Sozialisten Rhein-Main“. Mit 21 Jahren ist er noch sehr jung.

Maximilian Reich war Begründer und zentraler Aktivist von „Block F“, Er ist bei fast allen Aktionen der „Freien Nationalisten Rhein-Main“ zugegen, und – obwohl erst 19 Jahre alt – gut in die Frankfurter NPD-Strukturen integriert. Er trat bei Aufmärschen der NPD bereits alsDemonstrations-Ordner in Erscheinung. Reich hat innerhalb der letzten zwei Jahre eine steile Nazi-Karriere hingelegt. Seit 2010 wohnt er in Bergen-Enkheim.

Die „Hessische Linie“: Behörden verschweigen Neonazi-Aktivitäten und leugnen Strukturen

Die Polizei weiß offensichtlich über die Neonazi-Strukturen in Frankfurt Bescheid, dennoch gibt es bisher keine Reaktion von Seiten der Behörden. Informationen werden schlichtweg nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben, die Existenz von festen Nazi-Strukturen in Frankfurt wird geleugnet. Diese in ganz Hessen zu beobachtende Linie der Behörden trägt seit Jahren dazu bei, dass Neonazis immer wieder auf Räume zurückgreifen können und darüber ihre Strukturen ausbauen. Beispielsweise nutzten Neonazis vor drei Jahren mehrfach Räume eines Kleingartenvereins in Rödelheim um Redner-Veranstaltungen und Konzerte durchzuführen. Obwohl eine Veranstaltung mit knapp 100 Teilnehmenden polizeilich aufgelöst wurde, gab es keine Pressemitteilung der Frankfurter Polizei. Auch der Verein und der Ortsbeirat wurden nicht über die Neonazi-Aktivitäten informiert.
Ähnliches spielte sich 2009/2010 im Gallusviertel ab. Dort trafen sich Neonazis über knapp zwei Jahre hinweg in der Gaststätte eines  Sportvereins und führten Veranstaltungen unter anderem mit dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt durch. Nachdem Antifaschist_innen diesen Zustand im Oktober 2010 beendeten, und der Fall so an die Öffentlichkeit gelangte, erklärte der Verein, nicht gewusst und erfahren zu haben, wen er sich da ins Haus geholt hatte. Obwohl die Polizei häufig über die Strukturen der Neonazis Bescheid weiß, erfolgt in der Regel keinerlei öffentliche Reaktion. Während zu jedem Verkehrsunfall eine Pressemitteilung der Polizei erscheint, ist es keine Erwähnung wert, wenn mehr als 30 Nazis Fahnen schwenkend und Lieder singend durch einen Frankfurter Stadtteil ziehen. Hinter dieser „Hessischen Linie“, Neonazi-
Aktivitäten zu verschweigen, und organisierte Strukturen zu leugnen, steht also eindeutig eine politische Entscheidung. Was mit dieser Linie bezweckt werden soll, bleibt schleierhaft. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie notwendig engagiertes und entschlossenes Vorgehen
gegen die Neonazis und ihre Strukturen für Antifaschist_innen bleibt. Dort wo keine kontinuierliche antifaschistische Arbeit stattfindet, werden Neonazis immer wieder Räume finden, um sich zu organisieren und ihr menschenverachtendes Weltbild zu verbreiten.
Für einen konsequenten Antifaschismus – Nazi-Strukturen bekämpfen!

maximilian reich steffen kneider

lukas hanaceck dominik fischer kai könig

Martialische und uniformierte Auftritte der NSRM 2010 auf Nazi-Aufmärschen in Rheinland-Pfalz und Thüringen. T-Shirt- Aufdruck: „Nationale Sozialisten Rhein- Main“. Unten von links nach rechts: Lucas Hanacek (Maintal), Dominik Fischer (Bruchköbel) und Kai König (Eschborn); Oben von links nach rechts: Maximilian Reich (Bergen- Enkheim) und Steffen Kneider (Preungesheim, seit 2010 Kreisvorsitzender der NPD Frankfurt)

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