Neonazis in Hessen
Enttarnte Neonazis aus Hessen
Kassel – Hintergründe

In Kassel und im Umland, insbesondere im Schwalm-Eder und Werra-Meißner Kreis organisieren sich zur Zeit Freie Kameradschaften, die sich auch Freie Nationalisten oder Freier Widerstand nennen. Diese militanten oder sich militant gebenden neonazistischen Organisationszusammenhänge arbeiteten – vor allem in Kassel selbst – eng mit Kadern der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD zusammen. Nachdem die NPD jedoch Mitte August 2007 abermals eine ablehnende Stellungnahme zu den sogenannten „Autonomen Nationalisten“ veröffentlichte, traten die Kassler Neonazis aus der JN aus und bezeichnen sich seitdem als „autonome“ oder „freie Nationalisten“. Zwischenzeitlich wohnte fast der gesamte Landesvorstand der hessischen JN in Kassel. Zu nennen wären da beispielsweise Mike Sawallich, der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende, Christian Wiegand, vormals zuständig für „Neue Medien“ oder Manuel von Berg, Ex-Ordnungsdienstleiter der JN.

Ihr erster Versuch Aufmerksamkeit für ihr „neues“ Auftreten zu erhalten, bestand in der Anmeldung eines Aufmarsches durch Sawallich für den 20.10.2007 in Kassel. Nachdem dieser von der Stadt verboten wurde, meldeten die Neonazis eine andere Route an, die ebenfalls verboten wurde. Sebst nach erfolgreicher Klage der Neonazis kamen am 20.10. so wenige Unterstützer_innen zusammen, dass sie ihre Aufmarschmöglichkeit lieber nicht wahrnahmen.

manuel von bergManuel Von Berg, wohnhaft in der Fünffesterstraße 14, steckt auch tief in der NS-Black-Metal Szene und verkaufte diese Musik über seinen Ex-Versand „Wintersonne“ im Internet. Im Gegensatz zur normalen Black Metal Musik, die sich eher unpolitisch gibt, haben die Texte im NS-Black Metal rassistische und antisemitische Motive. So ist es nicht verwunderlich dass unter der POstfachadresse, über die Von Berg diese Musik verkaufte, bis vor kurzem die JN Kassel zu erreichen war. Neben seinem Job als Fahrradmechaniker im LSD Fahrradladen in der Goethestraße engagierte Von Berg sich in der „Anti-Antifa“ Kampagne der JN. Auf einem Treffen Ende September 2006 in Aßlar beschloss der Landesvorstand der JN ein Aktionsprogramm das neben dem „Kampf um die Dörfer“ auch den „Kampf um die Schulen“ beinhaltete. „Wir brauchen mehr Infos über Leite aus Kassel, große wie kleine“ forderte später dazu Von Berg in einem Internet-Forumsbeitrag, wo er sich gerne hinter Synonymen wie „Nighttime“ versteckt. Nighttime ist der Name der Kneipe neben Von Bergs Hauseingang, in der er sich oft mit Gleichgesinnten trifft. Immer wieder kam es in dieser Kneipe und auch davor zu Pöbeleien und Schlägen gegen Leute, die sich mit der extrem rechten Ideologie nicht einverstanden erklärten oder schlichtweg nicht in das Weltbild der Neonazis passten.

peter pawlak

Peter Pawlak

Seit dem Frühjahr 2007 stand außerdem Peter Pawlak vom Bund für das Deutsche Reich monatelang jeden Montag zusammen mit Mike Sawallich, wohnhaft in der Naumburger Straße 1, als Abspaltung der Kasseler Montagsdemo auf dem Friedrichsplatz und verbreitete geschichtsrevisionistisches Gedankengut. Pawlak versuchte einige Zeit bei der ursprünglichen „Montagskundgebung Kassel basisdemokratisch“ mitzumachen, bis er dort rausflog. Auf seinem Infotisch fand sich u.a. die neonazistische Zeitung Unabhängige Nachrichten. Dazu wurden Lieder der sogenannten Schulhof CD der NPD gespielt mit offen völkischen und extrem rechten Inhalten. Ein immer wiederkehrendes Thema in Flugblättern und Reden war die Ausrufung des „Deutschen Reiches“ und der Abschluss eines Friedensvertrages mit angeblichen Besatzern des „Deutschen Reiches“. Ähnlich wie von der NPD bundesweit wurden von den Organisator_innen der Kundgebung soziale Themen wie z.B. die Ablehnung von Hartz IV mit extrem rechter Propaganda vermischt.

Weitere aktive Neonazis aus Kassel und Umgebung sind Maksim Blumhardt, Markus Eckel und Werner Kahl. Blumhardt kommt aus Edermünde/Holzhausen und fungiert als Anmelder der Internetseite des Freien Widerstands Kassel. Er fällt auch immer wieder durch brutale Drohungen gegen Andersdenkende.

Werner Kahl galt Anfang der 90er Jahre als Anführer der FAP-Kameradschaft Kassel und tat sich besonders durch gewaltätige Übergriffe hervor. Aktuell ist er dem rechten Hooligan Umfeld des KSV Hessen-Kassel zuzuordnen. Kahl ist Inhaber der Marke „Dobermann Deutschland“ und des Outfit Freizeit Geschäfts in der Kurt-Schuhmacher Straße 18 in Kassel. Als Geschäftsführerin des Ladens arbeitet eine seiner beiden Töchter. Kahl betreibt auch einen Internetversand für seine Marke mit Sitz im östlich von Kassel gelegenen Helsa.

Schließlich ist noch der international aktive Neonazi Roy Godenau aus Sebbeterode im Schwalm Eder Kreis zu nennen. Dieser fungiert neuerdings als „Personal assisant“ des US-amerikanischen Rassisten David Duke. Godenau, ein gebürtiger US-Amerikaner, der 1969 in die Bundesrepublik kam und auch im Adressbuch des verstorbenen Michael Kühnen aufgeführt war, nennt sich seit der 1977 erfolgten Heirat mit Ingeborg Godenau (Ex-Kreistagsabgeordnete der Republikaner) mal Armstrong, mal Godenau. Das Anwesen der Godenaus, die Buchmühle, diente in den 70er Jahren verschiedenen neonazistischen Gruppen, u.a. der Wiking Jugend, als Tagungsstätte sowie als Zelt- und Übungsplatz. Vom Ehepaar Godenau hörte man zuletzt bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2006. Ingeborg Godenau errang einen Sitz im Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises für das extrem rechte Bürgerbündnis Pro Schwalm Eder.

Neben diesen aktuellen neonazistischen Aktivitäten befindet sich im Kassler Stadtteil Oberzwehren noch immer das 1980 gegründete Thule-Seminar. Das Thule-Seminar ist eine Strömung, die sich wie die sogenannte „Neue Rechte“ dem Kulturkampf verschrieben hat. Während die „Neue Rechte“ jedoch versucht, eindeutige Bezüge zum Nationalsozialismus zu vermeiden um ihn stattdessen neu und modern zu formulieren, blieb das Thule-Seminar dem NS-Geist immer verhaftet. Schon die Benennung nach der alten Thule-Gesellschaft zeigt Kontinuität. 1918 gegründet, stellte sie einen okkulten Orden dar, aus dem mit Adolf Hitler, Heinrich Himmler oder Hermann Göring zahlreiche führende Nazis hervorgingen. Im Zentrum der vom Thule-Seminar Weltanschauung stehen daher ein biologistisches Menschenbild, heidnisch-germanischer Fundamentalismus und eine Ideologie der Ungleichheit. Auf dieser Grundlage wird versucht, eine „ethnokulturelle Neugeburt Europas“ voranzutreiben. Gründer und Leiter des Thule Seminars ist Dr. Pierre Krebs.

Das Kommunkationsorgan stellen die unregelmäßig erscheinenden Thule Briefe sowie die von 1986-1990 herausgegebene Zeitschrift Elemente dar. Krebs genießt zwar in der NPD nur partielle Aufmerksamkeit, wird aber immer wieder gerne als Gastdozent eingeladen.So trat er u.a. 2003 auf dem vom NPD-Verlag „Deutsche Stimme“ veranstaltet 1.Freiheitlichen Kongress aus und sprach dirt zum Thema: „Vision Europa – Kampf und Wiedergeburt“. Ziel der Bemühungen von Krebs und anderen Intellektuellen der „Neuen Rechten“ ist das Erzielen von Öffentlichkeit im Sinn der von ihnen propagierten Wortergreifungsstrategie, die Besetzung von Begriffen („kulturelle Hegemonie“) und damit die gezielte Beeinflussung gesellschaftlicher Debatten im Sinne ihrer extrem rechten Ideologie.

Comments are closed.