Neonazis in Hessen
Enttarnte Neonazis aus Hessen
Bergstraße – Hintergründe

Rechte Strukturen an der Bergstraße

»Aktionsbüro Rhein Neckar«
Prägend für die Geschichte südhessischer, nordbadischer und ostrheinland-pfälzischer Neonazisstrukturen ist das »Aktionsbüro Rhein-Neckar (ABRN)«, auf das hier kurz eingegangen werden soll, bevor der Fokus sich auf die Bergstraße richtet: Das ABRN ist eine Vernetzung von sogenannten »Freien Kräften«, also nichtparteigebundener Neonazis. Der »Sitz« des ABRN ist Ludwigshafen. Es sollte als geschlossener Kreis von langjährigen Nazikadern verstanden werden, die ihrerseits ABRN-untergeordnete Kameradschaften anführen.

»Kameradschaft Bergstraße«
In den frühen 2000 gründete der Nazikader René Teufer den »Nationalen Widerstand Bergstraße« (nicht zu verwechseln mit der jetzt aktiven Gruppierung), welcher sich kurz darauf zur »Kameradschaft Bergstraße« unbenannte. Diese Gruppierung existierte von 2001 bis 2006 und war zu ihren Hochzeiten mit etwa 120 Mitgliedern einer der führenden Kameradschaft im süddeutschen Raum. Im Laufe der Zeit bildeten sich verschiedene Untergruppierungen dieser dem Aktionsbüro untergeordneten Struktur. So unter anderem die »Aktionsgruppe Bergstraße«, die vor allem junge Menschen mit dem »hippen« Auftreten der »Autonomen Nationalisten « zu ködern versuchte, oder der »NibelungensturmOdenwald«. Anfang 2006 wurde die »Kameradschaft Bergstraße« aufgelöst, Gründe waren persönliche Streitigkeiten, rechtlicher Druck, sowie die Veröffentlichung des internen Forums des »Aktionsbüro Rhein- Neckar«. Die Mitläufer und Halb-Aussteiger aus dieser Zeit geistern seitdem in den Ortschaften Südhessens rum. Viele haben mittlerweile Familien gegründet, engagieren sich in Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr. Auch in die Bundeswehr haben es viele trotz MAD-Überprüfung (»Militärischer Abschirmdienst«) geschafft.

Die neue Generation
Zwischen 2006 und 2009 waren an der Bergstraße keine organisierten Nazistrukturen zu beobachten. Dies hat sich nun mit dem Advent einer neuen Neonazigeneration geändert. Diese »neuen« Nazis betrachten sich häufig als »Autonome Nationalisten«, das heißt sie kopieren linke  Codes und Aktionsformen (wie z.B. der »Schwarze Block« oder das Logo der »Antifaschistischen Aktion«), dies geschieht mit der Absicht für junge Leute ansprechend zu sein, denn das ist das Bild des Bomberjacken- und Springerstiefeltragenden Skinheads meist nicht. Inhaltlich ändert diese vermeintliche Modernisierung jedoch nichts, »Autonome Nationalisten« vertreten weiterhin eine klar neonazistische Ideologie.

»Nationale Sozialisten Ried«
Die erste Gruppe an der Bergstraße, die nach ihrem Auftreten her eindeutig als »Autonome Nationalisten« zu erkennen ist, waren die »Nationalen Sozialisten Ried«, die sich Ende 2008/Anfang 2009 gründeten. Diese (hauptsächlich in Biblis aktive) Gruppe hat vor allem Verbindungen zu anderen »Autonomen Nationalisten« (Zu nennen wären die »Autonomen Nationalisten Vorderpfalz«, »Nationale Sozialisten Rhein-Main/Freies Netz Hessen«, »Ag Lörrach« u.a.) Nachdem diese Gruppe 201 0 in einem rasanten Tempo anfing, Aktionen durchzuführen, wurde in der Nacht zuWeihnachten 201 0 der Nazi (und zu diesem Zeitpunkt wichtigste Funktionsträger der Gruppe) – Florian Weißbarth – von Antifa Aktivist_innen in seinem Wohnort geoutet. (http://antifabiblis.de.ms) Mittlweile trägt Florian Fußfesseln wegen schwerer Körperverletzung und ist kaum noch auf Aufmärschen o.ä. zu sehen.

»Freie Nationalisten Odenwald«
Im April 201 1 tauchte dann erstmals eine Gruppierung auf, die sich anfänglich »Freie Nationalisten Bergstraße/Odenwald« nannte, sich dann aber (vermutlich wegen einem verqueren Revierdenken unter Nazigruppen) »Freie Nationalisten Odenwald« nannte. Die Gruppe, hinter der unter anderem Kai Reimund stand/steht, hatte seit ihrer Gründung sage und schreibe 3 Websites. Auf diesen Seiten wurden unter anderem vermeintliche Nazigegner_innen »geoutet« und dazu aufgerufen DGB- (23.03.201 1 , Erbach/Michelstadt) oder Anti-Pelz-Demos (26.04.201 1 , Frankfurt) zu stören bzw. für sich zu vereinnahmen. Auch hat die Gruppe im März 201 1 eigene Aufkleber gedruckt und (hauptsächlich im Odenwald) verklebt. Von den Texten auf den Websites wird ersichtlich, dass die »FNODW« in starkem Kontakt zu den »NSR« stehen, denn viele der Inhalte sind eins zu eins von dessen Homepage kopiert.

Bensheimer Zustände
Im Sommer 201 1 wurden dann das erste Mal seit langem wieder Nazi-Stressereien in Bensheim registriert. Die Nazis breiteten sich fast täglich vor dem Bahnhofskiosk in Bensheim aus, tauchten aber auch im Stadtpark und am Beauner-Platz, sowie an der (sogenannten) »Laderampe« des Kaufhaus Ganz auf. Ihre Zahl unterlag Laufe des Sommers einer starken Fluktuation, es kann jedoch von einem harten Kern von etwa 5 bis 1 0 Personen ausgegangen werden. Die Gruppe hat starke personelle Überschneidung mit den »Freien Nationalisten Odenwald« und einer rechtsoffenen Dorfclique, die sich »Harte Jungs Odenwald« nennt. Der »politische« Charakter der Clique wurde anfangs vor allem durch Szenekleidung und o.g. Verdrängung von, von ihnen als Gegner_innen identifizierte Menschen, deutlich. Mittlweile haben Personen aus diesem Umfeld eine Vielzahl von »Gruppenlabels« , so unter anderem »NationalerWiderstand Bergstraße« und »Nationale Aktivisten Odenwald« Mitte 201 1 wurden alternativ- und migrantisch-aussehende Jugendliche regelmäßig beleidigt, bedroht und sogar angegriffen. Zuletzt am 6. Oktober, als ein Dutzend Nazis 4 Jugendliche vor der beliebten Kneipe »Stadtmühle« angriffen und ihnen Pfefferspray ins Gesicht sprühten.

Nachdem verschiedene zivilgesellschaftliche Institutionen diesen Zustand problematisiert haben und mehrere Strafanzeigen gestellt wurden, wurde auch die Polizei vermehrt aktiv. In der Kommunalpolitik oder den Lokalmedien findet dieser Umstand jedoch weiterhin keine  Erwähnung. Am 24.09. besuchten ein halbes Dutzend Nazis aus diesem Umfeld eine Demo, die von der »Iniatiative Südwest« angemeldet wurde. Die Hessenfahne, die die Gruppe auf dieser Veranstaltung dabei hatte, fand auch am Vortag beim Saufen am Bensheimer Bahnhof Verwendung. Auf der Demo dabei waren auch die von uns geouteten Personen. Der Besuch einer Demonstration in dieser Gruppenkonstellation ist der erste seiner Art, demonstriert aber die zunehmend bessere Anbindung an die rechte Szene. Es bleibt abzuwarten, ob sich der »NWB« als konstante Gruppe etablieren kann.

Glossar: Nazigruppenabkürzungen

NationalerWiderstandBergstraße—NWB
Nationale Sozialisten Ried—NSR
Nationale Sozialisten Rhein-Main —NSRM
Kameradschaft Bergstraße—KSB
KameradschaftDarmstadt—KSD
Aktionsbüro Rhein-Neckar—ABRN

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