In weiten Teilen des Lahn Dill Kreises gibt es seit Jahr(zehnt)en immer wieder Probleme mit Neonazis. Dass diese durchaus eine Bedrohung für Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, sind, zeigte beispielsweise ein Brandanschlag auf einen Kirchenmitarbeiter durch Neonazis 2009. Wie Gefährlich die Nazistrukturen vor Ort sind, wird dadurch deutlich das die Täter aus organisierten Kreisen kommen. In diesem Infoblatt soll ein Blick auf die Neonaziszene in und um Haiger geworfen werden. Denn obwohl es hier keine namentlich bekannte Kameradschaft gibt, sind sehr wohl organisierte Zusammenhänge vor Ort deutlich erkennbar.
2010 erschien unter dem Titel Flächenbrand eine Broschüre des DGB. In dieser wird sich, neben den Landkreisen Siegen und Westerwald, mit der Organisierten Neonaziszenerie im Lahn Dill Kreis auseinandergesetzt. Da aber in Haiger selbst kaum Aktionismus betrieben wird, mit dem die Nazis an die Öffentlichkeit dringen wollen und auch keine namentlich bekannte Kameradschaft existiert, blieben diese Strukturen weitestgehend unerwähnt. Dabei sind diese in Haiger vorhanden. „Bereits seit einigen Jahren sind in der Region rechtsradikale Umtriebe erkennbar“ schrieb die Gießener Allgemeine 2006. Der Bericht erschien im Zusammenhang mit einem Rechtsrockkonzert, das in der Region stattfinden sollte. Hierbei handelte es sich um ein größeres Konzert, alleine 130 Personen, die sich auf dem weg zum Konzert befanden, wurden von der Polizei kontrolliert, es wurden dutzende Rechtsrock-Cds und zum Teil auch Waffen gefunden. Bei solchen Konzerten handelt es sich durchaus um Events, die für viele – teilweise junge Menschen – den Einstig in eine neonazistische Szene bedeuten.
Eine möglichen Anschluss an organisierte Kreise bitten auch Kneipen und Diskotheken in Haiger, in denen die Nazis sich ungestört treffen können. Ein Beispiel dafür ist das „Jack Daniels“, welches wohl jetzt nach Dillenburg umzieht. Auf der Homepage des Jack Daniels wurde zeitweise mit einem Schwarz-weiss-rotem Cocktail für Deutschrock-Party geworben. Dementsprechend ist es bei solchen Partys gang und gebe das dort Nazis mit entsprechenden T-Shirts und Tätowierungen feiern. Das die Betreiber_innen und Besucher_innen sich des Weltbilds der Gäste durchaus bewusst sind, können diese kaum abstreiten. Stellte es doch für niemanden der Anwesenden ein Problem da, dass bei einer Party, mitten in einer Traube von Besucher_innen eine Stripperin um Sascha Monno herumtanzte, während dieser, mit freiem Oberkörper, auf einem Stuhl saß und auf seiner Brust für alle Sichtbar ein Handgrosses Hakenkreuz-Tattoo zu sehen war. Das dies nicht zu großen Widerspruch führt, lässt sich bei einen blick in einer Bildergalerie eines Abends im Jack Daniels erahnen. Es ist kaum möglich ein Bild zu finden auf dem eine Person kein Nazishirt trägt. Von T-Shirts der neonazistischen Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ über Rechtsrockshirts bis hin zu Bekleidung mit neonazistischen Parolen ist scheinbar alles Erlaubt.
Allerdings geht es nicht nur um eine Rechte Ergebniswelt die sich auf darauf beschränkt über Musik ein menschenverachtendes Weltbild zu verbreiten.
2010 wurde bekannt, dass in der Siegerlandkaserne in Haiger-Burbach ein Veranstaltungsort der Regionalen Naziszene existierte. Der Veranstaltungsort war für Vorträge und Lesungen gedacht. Aufgrund der Lage im Drei-Länder-Dreieck sollte dieser auch für die Vernetzung über Ländergrenzen hinaus dienen. So reisten auch Nazis aus Siegen, dem Westerwald und dem LDK zu Veranstaltungen.
Allerdings wurden die Nazis, wenige Tage nach bekannt werden ihrer Aktivitäten, vom Vermieter vor die Tür gesetzt.
Dass sich nicht alles hinter verschlossene Türen abspielt, zeigte beispielsweise der Naziaufmarsch am 11.10.2010 in Wetzlar. Hier waren mehr als ein Dutzend Nazis aus Haiger und Umgebung anwesend. Nach dem Aufmarsch vermehrter Aktivitäten der Nazis, da dieser der Szene einen enormen Schub gegeben hatte. Bei den Aktionen von Anti-Antifa Wetzlar und Autonomen Nationalisten waren Nazis aus Wetzlar, Dillenburg, Herborn und eben Haiger beteiligt. So gab es neben Flugblattaktionen und einer Mahnwache auch Versuche linke Veranstaltungen zu stören und Farbanschläge auf ein Wohnhaus, ein Lokal, in dem eine Antifaschistische Veranstaltungsreihe stattfand in Wetzlar, und ein Autonomes Kulturzentrum in Giessen.
Der Aktionismus gipfelte schließlich in einem Brandanschlag auf das Haus eines Kirchenmitarbeiters, der sich gegen Rechts engagiert. Hierbei wurde in Kauf genommen, dass Menschen schwer verletzt werden oder diesen gar nicht überleben.
Im anschließenden Prozess musste sich auch eine Person aus Haiger verantworten und wurde letztendlich verurteilt.
Schnittstellen zur NPD
Auch die NPD spielt eine Rolle. Es war immer wieder zu beobachten das es keinerlei Berührungsängste zwischen Partei und Kameradschaftsspektrum gibt. So ist es auch nicht verwunderlich das einige der Nazis aus Haiger auch Parallel Mitglied in der NPD sind. Neben Janina Huth trifft dies auch auf Lukas Becker zu. Lukas Becker bekommt den Spagat zwischen Freien Nationalisten und Partei relativ unproblematisch hin. Neben Aktionen der Anti-Antifa Wetzlar, bei denen er beteiligt war, hatte er zeitweise Parall den komisarischen Kreisvorsitz der NPD-LDK inne.
Konzerte / Aufmärsche
Um auf Konzerte von Rechtsrockbands zu gelangen ist es für Nazis oft notwendig ins angrenzende Ausland zu reisen, da solche Konzerte in Deutschland oftmals nicht durchführbar wären. So auch beispielsweise 2009 wo unter anderem Lukas Becker mit seiner damaligen Freundin Jana Polzer und Seiner Stiefschwester Jacqueline Schöttner und der ebenfalls aus Haiger kommenden Andreas Moos nach Ungarn fuhren. Das Konzert fand auch aufgrund des Datums nicht in Deutschland statt, ein Tag nach dem Hitler-Geburtstag und die Bewerbung als Blood & Honour-Veranstalltung hätten in Deutschland womöglich dazu geführt, dass es nicht stattfindet.
Nicht nur um Konzerte zu besuchen sind die Nazis aus Haiger bereit weit zu fahren. An eine Vielzahl von Naziaufmärschen nahmen alle hier erwähnten Personen teil. Neben den bereits erwähnten Personen gehören Andre Eckstein, Eric Andderssohn und Kevin Maurer zu den Reisegruppen die sich zu solchen Aufmärschen bilden. Letztere ist zwar eigentlich in Siegen wohnhaft, ist aber bei fast jeder Gelegenheit in Haiger oder mit Personen aus Haiger anzutreffen.
Nicht zu Vernachlässigen ist hierbei das Kevin Mauerer der Bruder von Sascha Maurer ist. Welcher 2009 für die NPD in Siegen in den Stadtrat einzog. Beide sind auch zu Aktivisten der Freien Kameradschaft „Freie Nationalisten Siegerland“ (FNSI) zu zählen. Welche in der Vergangenheit immer wieder durch gewalttätige Aktionen gegen Antifaschisten und Miagrant_innen in Siegen Schlagzeilen machten.
Das Neonazi Problem in Haiger wird von öffentlicher Seite oft verschwiegen oder herunter gespielt. So werden Schlägereien zwischen Nazis und anderen Gruppen lediglich von körperlichen Auseinandersetzungen unter Jugendlichen berichtet. Auch von städtischer Seite ist kaum Interesse zu beobachten, dass die neonazistischen Umtriebe an die Öffentlichkeit gelangen. Selbst wenn sich gegen Neonazistrukturen ausgesprochen oder gegen selbige vorgegangen wird, beruht dies in erster Linie nicht nur auf der Ablehnung der Ideologie sonder vor Allem aus Angst um das Prestige der Stadt.
In Haiger und Umgebung hat es bisher für Nazis keine Konsequenzen gegeben wenn sie sich offen zu ihrer Ideologie bekannt haben. Sie sind voll akzeptiert und in Vereine und öffentlichen Veranstaltungen nicht nur geduldet, sondern teilweise komplett eingebunden. Was dies für jugendliche bedeutet ist naheliegend. Ein neonazistisches Weltbild als vorherrschende (Sub-)kultur ist auch wegen der vermeintlich rebellischen Außenwirkung anziehend. Da es von Städtischer Seite überhaupt keine Intervention gibt und jegliche Aufklärungsarbeit bestenfalls den Schulen überlassen wird, ist die Aussicht düster. So kommen antifaschistische Kampagnen oftmals, wenn überhaupt, von außen und werden nicht selten als Nestbeschmutzer wahrgenommen. Das es, auch, aber nicht nur, aufgrund der Geschichte, in der Verantwortung Jedes Menschen liegt sich gegen Nationalismus, Rassismus und Faschismus zu stellen und zu Wiedersprechen, scheint beim Momentanen Blick auf die Stadt Haiger schwer vorzustellen.
Für einen Konsequenten Antifaschismus, jeden Tag!